Der drehbuchVERBAND Austria freut sich im Namen des Preisstifters, Bundeskanzleramt Kunst und Kultur, die PreisträgerInnen der Thomas Pluch Drehbuchpreise 2014 bekannt zu geben.
Der Thomas Pluch Hauptpreis 2014 wird geteilt und geht ex aequo an
Der *Thomas Pluch Spezialpreis der Jury
* geht an
Den Thomas Pluch Preis für kurze oder mittellange Kino-Spielfilme erhalten
Die Internationale Jury bestand aus Benjamin Herrmann (Produzent, Verleiher, D), Pia Hierzegger (Schauspielerin, Autorin, AT) und Franz Rodenkirchen (Filmdramaturg, Tutor für Drehbuchentwicklung, D).
Für den Hauptpreis waren Die Auslöschung (Drehbuch: Agnes Pluch und Nikolaus Leytner (Regie)), Fieber (Drehbuch/Regie: Elfi Mikesch), Macondo (Drehbuch/Regie: Sudabeh Mortezai) Die Werkstürmer (Drehbuch/Regie: Andreas Schmied) und Oktober November (Drehbuch/Regie: Götz Spielmann) nominiert.
Die nationale Jury bestehend aus Hilde Berger (Drehbuchautorin, Schauspielerin AT), Veronika Hlawatsch (Tongestalterin, AT) und Wolfgang Widerhofer (Filmeditor, Dramaturg, Produzent, AT) hat aus den Einreichungen 5 Drehbücher für den Hauptpreis nominiert und Thomas Pluch Preis für kurze oder mittellange Kino-Spielfilme vergeben.
Fotos der Verleihung finden Sie in unserer Fotogalerie >
Begrüßungsrede der Obfrau des Drehbuchverbands Eva Spreitzhofer PDF >
Jurybegründung (Benjamin Herrmann, Pia Hierzegger, Franz Rodenkirchen)
Unser Leben verfestigt sich allmählich zu der Geschichte, die wir uns davon erzählen. Und manchmal stehen wir vor diesem Leben und fragen: wo bin ICH eigentlich?
Die sehr unterschiedlichen Lebensentwürfe zweier Schwestern stehen im Mittelpunkt einer Geschichte, die uns ganz allmählich auch über unsere eigenen Träume, Erwartungen und schmerzhaften Momente unbequemer Wahrheiten nachdenken lässt.
Für ein Drehbuch, das versucht, dem Bild, das wir von uns haben, mit dem, das die anderen von uns haben auch im Erzählen gerecht zu werden, verleiht die Jury ex aequo den Thomas Pluch Drehbuchpreis 2014 an “Oktober, November” von Götz Spielmann.
Oktober November
Drehbuch und Regie: Götz Spielmann
Kamera: Martin Gschlacht
Schnitt: Karina Ressler
Produktion: coop99
DarstellerInnen: Nora von Waldstätten, Ursula Strauß, Peter Simonischek, Sebastian Koch
Kinospielfilm,
Österreich 2013, 112 Min.
Zwei Schwestern und ihr alter Vater kommen im Haus der Familie, einem ehemaligen Dorfgasthof, zusammen. Über die Jahre einander fremd geworden bringt das Wiedersehen langsam und unerbittlich die Konflikte zwischen den so unterschiedlichen Frauen ans Licht. Und auch der Vater weiß, dass er für die Offenbarung eines Geheimnisses nicht mehr lange Zeit hat.
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Götz Spielmann
Geboren 1961 in Wels, Oberösterreich, aufgewachsen in Wien.
Studium an der Filmakademie Wien, Drehbuch und Regie. Zwei mittellange Filme erhalten erste internationale Preise.
1988 Regieassistenz am Theater und längerer Aufenthalt in New York. Drehbücher.
Ab 1990 mehrere Filme für Kino und Fernsehen, international am erfolgreichsten Der Nachbar.
2000 Die Fremde und dem Fernsehfilm Spiel im Morgengrauen.
Etabliert sich 2004 mit Antares auch international als einer der wichtigsten österreichischen Autorenfilmer.
Gründung der eigenen Produktionsfirma. Gastdozent an mehreren deutschen Film-Universitäten.
2008 Revanche. Zahlreiche internationale Preise, u.a. Berlinale, Palm Springs, Motovun, Monterrey. Nominierung zum „Auslands-Oscar“. Seit 2011 Professur an der Filmakademie Wien, Leitung der Klasse Drehbuch und Dramaturgie.
Jurybegründung (Benjamin Herrmann, Pia Hierzegger, Franz Rodenkirchen)
An dem zweiten Projekt, das wir ex aequo mit dem Thomas Pluch Drehbuchpreis auszeichnen wollen, hat uns besonders die hohe Professionalität des Drehbuchs beeindruckt. Ganz sachte, unaufgeregt, subtil, trotzdem sehr präzise und zutiefst bewegend wird uns eine Geschichte erzählt, die sich in unserer Gesellschaft tausendfach zuträgt und aufgrund der demografischen Entwicklung immer mehr Menschen, Lebenspartner, Kinder, Freunde betrifft. Es geht um eine starke Person, die sich selbst verliert. Der schmerzhafte, schleichende Abschied vom Ich, die Entfremdung von den Angehörigen, der Verlust jeder Selbstbestimmung. Aber das Drehbuch ist nicht nur ein Drama über einen Alzheimer-Erkrankten, sondern in seinen besten Momenten ein Liebesfilm. Mit dem zweiten Thomas Pluch Hauptpreis pämiert die Jury in diesem Jahr Agnes Pluchs und Nikolaus Leytners Drehbuch zu ihrem Fernsehfilm „Die Auslöschung“.
Die Auslöschung
Drehbuch: Agnes Pluch, Nikolaus Leytner
Regie: Nikolaus Leytner
TV-Spielfilm, Österreich 2013
Produktion: Mona Film
DarstellerInnen:
Klaus-Maria Brandauer, Martina Gedeck, Philipp Hochmair, Regina Fritsch
Ernst Lemden ist dafür bekannt, ein großer Denker und Intellektueller zu sein. Nun erkennt er nach und nach, dass er an Alzheimer erkrankt. Zunächst möchte er diese Tatsache ignorieren, doch dann stellt er sich den Tatsachen und trifft eine Entscheidung.
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Agnes Pluch
Geboren 1968. Anfang der 90er Jahre leitete sie als Geschäftsführerin das Drehbuchforum Wien. Danach arbeitete sie 3 Jahre als Redakteurin beim ORF. Seit 1999 ist sie ausschließlich als freie Drehbuchautorin tätig und schreibt für Kino und Fernsehen. Darunter Kinoproduktionen wie „Der Kameramörder“, „Der Fall des Lemming“ oder „In 3 Tagen bist du tot, 2“. 2003 erhielt sie für den Film „Ikarus“ den „Max Ophüls Preis“ für das beste Drehbuch. Für das Fernsehen war sie an zahlreichen Produktionen beteiligt, wie zB an dem Zweiteiler „Vermisst“, „Die Blutsschwestern“ oder „Die Auslöschung“, die die Romy für den besten Fernsehfilm und den 3-Sat-Zuschauerpreis erhielt.
Nikolaus Leytner
1957 in Graz geboren. Studium an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien, Abteilung Film und Fernsehen, Regie bei Alfons Stummer und Axel Corti und Drehbuch bei Harald Zusanek. Seit 1984 arbeitet er als freier Autor und Regisseur in Wien. 1989 Mitbegründer der österreichischen Filmproduktionsfirma Allegro Film. Er realisierte zahlreiche Filme für Fernsehen und Kino, unter anderem Folgen für Der Bulle von Tölz, Schwarzfahrer, Stärker als der Tod, Ein halbes Leben, Der Fall des Lemming. Im Jahr 2009 hat Nikolaus Leytner gemeinsam mit anderen österreichischen Filmschaffenden die Akademie des Österreichischen Films gegründet.
Jurybegründung (Benjamin Herrmann, Pia Hierzegger, Franz Rodenkirchen)
Für ein Drehbuch mit besonders herausragend behandelten Aspekten. Der Jury steht frei, die Kategorie festzulegen. Zugelassen sind Drehbücher zu abendfüllenden Kinospielfilmen oder abendfüllenden Fernsehfilmen (ab 70 Minuten). Mit 7.000 Euro prämiert.
Die Autorin beschreibt eine Welt, die sie sehr gut zu kennen scheint. Das empfand die Jury als die große Stärke des Buches, denn nach der Lektüre hat man das Gefühl auch schon mal dort gewesen zu sein, obwohl man das im echten Leben gar nicht möchte. Denn der Alltag, den die Autorin beschreibt, ist oft nicht spektakulär, aber meistens unangenehm. Es sind nur Migranten und Migrantinnen, die dort wohnen, weil sie noch nicht richtig angekommen sind und das auch nie werden. Und wer nicht muss, geht dort nicht hin.
Der Spezialpreis der Thomas Pluch Jury geht an Macondo von Sudabeh Mortezai.
Macondo
Drehbuch und Regie: Sudabeh Mortezai
Kamera: Klemens Hufnagl
Schnitt: Oliver Neumann
Österreich 2014, 93 Min
Produktion: Freibeuter Film/Oliver Neumann, Sabine Moser
DarstellerInnen:
Ramasan Minkailov, Kheda Gazieva, Aslan Elbiev, Rosa Minkailova, Iman Nasuhanowa, Askhab Umaev, Hamsat Nasuhanow, Champascha Sadulajev
Macondo erzählt eine Geschichte vom Aufwachsen zwischen den Kulturen. Im Mittelpunkt steht Ramasan, ein tschetschenischer Junge, der seinen Vater im Krieg verloren und mit seiner Mutter und zwei jüngeren Schwestern in Österreich Asyl bekommen hat. Eine aus der rauen Wirklichkeit geschöpfte und mit Laiendarstellern semidokumentarisch inszenierte Coming-of-Age-Geschichte über Identität, Zugehörigkeit und Selbstbestimmung.
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Sudabeh Mortezai
Geboren 1968 in Ludwigsburg (BRD) als Tochter iranischer Eltern. Aufgewachsen in Tehran und Wien. Studium der Theater- Film- & Medienwissenschaft in Wien, Abschluss 1994. 2002-2003 Filmstudium am UCLA in Los Angeles (Certificate Program in Film, TV, and Digital Entertainment Media). Realisierung von Kurz- und Dokumentarfilmen. 2007 Mitbegründerin von FreibeuterFilm, 2006 realisierte sie den Dokumentarfilm Children of the Prophet, 2009 den Film Im Bazar der Geschlechter.
Macondo ist ihr erster langer Spielfilm, der bei der Berlinale 2014 im Wettbewerb uraufgeführt wurde.
Drehbuch: Vanessa Gräfingholt und Clara Trischler unter der Mitarbeit von Jakob Pretterhofer für ihr Drehbuch zu Tuppern.
Mit 3.000.- Euro dotiert.
Jurybegründung (Hilde Berger, Veronika Hlawatsch, Wolfgang Widerhofer)
Das Buch verführt uns zu einer kurzen Reise in einen scheinbar wohlgeordneten österreichischen Durchschnittshaushalt – in knappen 10 Bildern entblättern die Autorinnen mit Verve und Wortwitz ihre Protagonistinnen in all ihren Fassetten und Nöten.
Diesmal ist Gabriele an der Reihe: Sie hat ihre Freundinnen zur Samstag-Nachmittags-Party eingeladen. Als Einstimmung gibt es Sekt Rosé, zur Stärkung Brötchen mit selbstgemachtem Thunfisch- und Eiaufstrich. Im gleichen Verhältnis wie der Alkoholspiegel steigt, fallen auch die Hemmungen der Damen. Sie trinken und lachen und reden ungebremst aneinander vorbei, während eine Tupperware-Verkäuferin unbeirrt ihre bunten Plastikschüsseln vorstellt und die Handhabung eines Speedy-Boys zu erklären versucht – das alles geschieht in höchster Kunst des Sprechgewusels – solange bis das Geschehen in der Küche der Gastgeberin unter den Zutaten zu einer Pina Colada zur überdrehten Materialorgie ausartet.
Den Autorinnen ist eine rasante Gesellschaftssatire gelungen, eine skurrile, aber auch bedrückende Realitätsstudie über ein seltsames Freizeitverhalten von Frauen: Den Besuch von Tupperware-Partys. Trotz der Leichtigkeit, die dem Drehbuch anhaftet, ahnt man, dass dahinter sehr viel Recherche steckt, gute Menschenkenntnis und viel Liebe zu den Schwächen der Menschen. Die Autorinnen haben ein Arsenal von sechs prägnanten Figuren geschaffen, haben ihnen die Small-Talk-Dialoge „auf den Leib“ geschrieben und damit bewiesen, dass sie die Kunst der witzigen Dialogführung beherrschen.
Der 35 Minuten-Film, den Vanessa Gräfingholt nach diesem Drehbuch gedreht hat, hatte im letzten Jahr hier auf der Diagonale seine Premiere.
Tuppern
Drehbuch: Vanessa Gräfingholt, Clara Trischler, unter der Mitarbeit von Jakob Pretterhofer
Regie: Vanessa Gräfingholt
DarstellerInnen: Susi Stach, Patricia Hirschbichler, Margot Vuga, Valerie Pachner, Martina Spitzer, Karl Fischer, Inge Toifel.
Kurzfilm A/D 2013, 35 Min.
Ein sonniger Samstagnachmittag: Gabi hat zur Tupperparty geladen. Sekt und Häppchen stehen bereit, Verkäuferin Evelyn zeigt sich von der außergewöhnlichen Atmosphäre entzückt. Alles wäre perfekt, würden die Freundinnen der Demonstration von Speedy Boy, Servierstar & Co. nur etwas mehr Aufmerksamkeit widmen als Prosecco, Aufstrichbrötchen und den subtil-giftigen Sticheleien untereinander. Bevor man sich am Ende mit einem zuckersüßen „Bussi, baba“ verabschieden wird, droht die lauschige Verkaufsstimmung gleich mehrfach zu kippen.
Eine Milieustudie inszeniert als fiktionales Kammerspiel.
Vanessa Gräfingholt
Geboren 1982 in Schwelm, Deutschland. Nach Praktika bei CNC Cologne und 90 minutes Film Berlin, 2002-2006 Castingassistentin, Cutterin und Regisseurin für Imagefilme, Making-ofs und eigene Kurzfilme in Berlin. 2004-2008 Teilnehmerin an dem Regielehrgang der „Filmarche“ in Berlin und seit 2008 Regiestudium an der Filmakademie Wien. Seit 2008 laufende Mitarbeit bei diversen Projekten als Regieassistentin, Castingassistentin und Script-Continuity.
Clara Trischler
lebte nach ihrem Studium am European Filmcollege in Dänemark für ein Jahr in Israel, wo sie neben ihrer Arbeit im Holocaust-Dokumentationsarchiv bei Filmen und Festivals mitarbeitete. Nach Filmpraktika in Berlin und New York studiert sie seit 2009 Buch und Dramaturgie an der Wiener Filmakademie und dem IUNA in Buenos Aires.
Jakob Pretterhofer
Geboren 1985 in Graz. Seit 2005 lebt er in Wien, Studium an der Filmakademie. Carl-Mayer-Drehbuchpreis 2011 für das Treatment “Überleben”.
Die Nationale Jury prämiert den Preis für kurze oder mittellange Kino-Spielfilme
und nominiert die Bücher für den Haupt- und Spezialpreis:
Hilde Berger (Drehbuchautorin, Schauspielerin AT), Veronika Hlawatsch (Tongestalterin, AT), Wolfgang Widerhofer (Filmeditor, Dramaturg, Produzent, AT)
Die Internationale Jury vergibt aus den nominierten Büchern den Haupt- und Spezialpreis:
Benjamin Herrmann (Produzent, Verleiher, D), Pia Hierzegger (Schauspielerin, Autorin, AT), Franz Rodenkirchen (Filmdramaturg, Tutor für Drehbuchentwicklung, D)